April 7

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Beschaffung (Teil 3): Zentraler Wareneingang vs. Dezentraler Wareneingang

By Michael Schnepf

April 7, 2021

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In unserer Serie zum Thema Beschaffung haben wir uns bereits den Einkauf (Teil 1 - Beschaffung vs. Einkauf) und den Beschaffungsprozess (Teil 2 - Beschaffungsprozessangesehen.  

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem zentralen und einem dezentralen Wareneingang und welche Rolle spielen Konzepte wie Kanban und Just in Time in diesem Zusammenhang?

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Was sind überhaupt die Aufgaben des Wareneingangs?

Die Aufgabengebiete des Wareneingangs sind:

  • Warenannahme
  • Mengenkontrolle 
  • Qualitätskontrolle

(vgl. Kuhlang et al., 2010).

Ein wesentliches Ziel im Wareneingang ist es,  kurze Durchlaufzeiten für das Material, kurze Informationswege und niedrige Gesamtkosten zu erreichen. Dafür sind eine Vielzahl von Gestaltungsmerkmalen zu berücksichtigen.

Diese können grob in folgende Bereiche eingeteilt werden:

  • Beschaffenheit der Ware
  • Räumliche Anordnung des Wareneingangs
  • Bauliche Gestaltung
  • Technische Ausstattung 
  • Organisation

(vgl. Kuhlang et al., 2010).

Der Wareneingang sollte möglichst schnell und kostengünstig ablaufen. Dabei gibt es einige individuelle Aspekte zu beachten.

Beschaffenheit

Folgende Aspekte können für die Beschaffenheit der Ware relevant sein: der Warenzustand, die Form, Größe und Abmessungen, die Empfindlichkeit, die zeitliche Verteilung der Lieferungen, welche Kontrollen nötig sind und wie aufwendig das Auspacken ist.

Bauliche Gestaltung

Im baulichen Bereich müssen Sicherheitseinrichtungen, sonstige Installationen, der Flächenbedarf und Gebäude und die Gestaltung der Ladezone berücksichtigt werden.

Technische Ausstattung

Zur Technischen Ausstattung muss geklärt werden welche Prüf- und Messgeräte nötig sind, wie Abfälle beseitigt werden und wie die Bereitstellung und Lagerung erfolgt.

Organisation

Organisatorisch gilt es zu klären, wo der Wareneingang organisatorisch im Unternehmen eingeordnet sein soll, welche Aufgaben er erfüllen soll und welche nicht, wie die Abläufe funktionieren, welche Informationen wie weitergeleitet werden und wie lange die Ware im Wareneingang verbleiben soll.

Im zentralen Wareneingang können spezialisierte Mitarbeiter die Qualität der Güter überprüfen. 

Zentraler Wareneingang

Räumlich werden die Warenannahme und die Mengenkontrolle oft zusammengefasst, um Transportwege innerhalb des Werkes kurz zu halten. Diese Bereiche erfordern in der Regel auch keine hohen Spezialkenntnisse durch die Mitarbeiter. Außerdem wird oft auch die Qualitätskontrolle räumlich nahe angeordnet: So wird der Materialfluss nicht unnötig stark unterbrochen.

Meist wird also der gesamte Wareneingang zentral abgewickelt. Dafür gibt es folgende Gründe:

Anlieferungen erfolgen zumeist per LKW oder Bahn:
Die Abwicklung erfordert entsprechenden Platz und besonderer Geräte wie Gabelstapler. Es macht wenig Sinn, diese mehrfach im Werk mit einer niedrigen Auslastung zu haben.

Die Qualitätskontrolle erfordert Spezialkenntnisse und entsprechende Messeinrichtungen:
Es wäre auch hier nicht wirtschaftlich, diese teils teuren Messeinrichtungen oder gar Labore mehrfach im Werk zu haben.

Professionalisierung durch Fokussierung:
Durch eine Fokussierung der Mitarbeiter auf die Kontrolle von Materialannahme und - prüfung wird eine Professionalisierung erreicht und diese Tätigkeiten erfolgen nicht einfach "nebenbei".

(vgl. Kuhlang et al., 2010).

Der zentrale Wareneingang ist allerdings kein Allheilmittel und nicht in allen Situationen der beste Ansatz. Daher betrachten wir nun den dezentralen Wareneingang.

Dezentraler Wareneingang

Vor allem in der Automobil- und Autozulieferindustrie gibt es aktuelle Trends, die gegen eine zentrale Aufstellung des Wareneingangs sprechen.
Diese sind Bereitstellungskonzepte wie Just in Time und Kanban. Hier gibt es Bestrebungen zu einer produktionssynchronen Beschaffung. Dabei sind verkürzte Anlieferzeiten und eine rasche Abwicklung von Vorteil - und damit die Nähe des Wareneingangs zur jeweiligen Produktion. Es kommt damit zu einer direkten Eingliederung des Wareneingangs in die Fertigung.

All dies wird ermöglicht durch einen engen Kontakt mit dem Einkauf, beispielsweise um Reklamationen bzgl. qualitativen oder quantitativen Abweichungen bei Lieferungen und auch eine Kontrolle der Liefertermine zu sichern.
Auch ist eine sehr enge Zusammenarbeit mit den Zulieferunternehmen nötig, da diese Lieferzeiten und Mengen tagesgenau einhalten müssen und auch die nötigen Qualitätsstandards erfüllen müssen.

Das umständliche Zählen durch vorhergehendes Auspacken und nachfolgendem Einpacken kann dann entfallen, wenn standardisierte Warenträger zum Einsatz kommen. Dadurch reicht eine einfache Sichtprüfung aus, um die Mengen zu kontrollieren.

Die direkte Warenlieferung zur Fertigungsstätte wird beispielsweise in der Automobil- und Autozulieferindustrie angewandt.

Welche Teile sind nun für eine Direktbelieferung in die Fertigung durch einen dezentralen Wareneingang geeignet?

Es sind alle Teile geeignet bei denen,

  • keine Wareneingangskontrolle nötig ist oder
  • ein niedriger Prüfaufwand gegeben ist: dass heißt, dass die Wareneingangskontrolle problemlos von den Mitarbeitern in der Fertigung durchgeführt werden kann, oder
  • nur Stichproben geprüft werden müssen, die bei der Anlieferung gezogen und zur Beurteilung an eine zentrale Prüfinstanz geschickt werden können und
  • die Mengen für die Fertigung sind groß genug um den Aufwand rechtzufertigen 

(vgl. Kuhlang et al., 2010).

Wir sehen also: Die Entscheidung, ob eine zentrale oder dezentrale Wareneingangsdurchführung erfolgen soll, ist nicht nur von Branche zu Branche unterschiedlich, sondern auch von den individuellen Gegebenheiten des Unternehmens abhängig.

Praxis Lederhosen AG

Pfuh, das war jetzt eine ganze Menge Theorie oder? Schauen wir uns das Ganze anhand unseres fiktiven Unternehmens der "Lederhosen AG" an.
 
Die Lederhosen AG ist ein mittelständisches Traditionsunternehmen und produziert und verkauft Trachtenmode wie Lederhosen und Dirndln. Dabei gilt es, die hauseigenen Laden-Geschäfte sowie den Online Shop und Händler mit Produkten zu versorgen.

Bei der Lederhosen AG erfolgte der Wareneingang bislang immer zentral. Der Wareneingangsbereich ist aber mittlerweile bereits etwas in die Jahre gekommen. Die aktuellen Sicherheitsvorschriften werden zwar noch eingehalten, aber viel Luft nach oben gibt es mit etwas Vorausplanung nicht mehr. Weiters ist der Wareneingangsbereich historisch bedingt etwas ungeschickt am Werksgelände angeordnet. Außerdem ist das Thema der Abfallbeseitigung nie wirklich dauerhaft gelöst worden weshalb Teile des Abfalls die Ladezone immer wieder blockieren.

Kurzum: der Wareneingangsbereich muss von Grund auf neu aufgesetzt werden.

In diesem Zusammenhang kamen zuletzt auch Diskussionen auf, ob der Wareneingang  weiterhin überhaupt zentral oder vielleicht doch besser dezentral abgewickelt werden kann. Auslöser waren verstärkte Meldungen in den Medien über Kanban und Just in Time - Fertigung und deren dezentrale Wareneingangsansätze.

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Dabei wurde zunächst komplett außer Acht gelassen, dass es sich bei diesen Berichten hauptsächlich um Beispiele aus der Automobil- und Autozulieferindustrie handelte.  Relativ rasch stellte sich aber heraus, dass die Lederhosen AG einen einfacheren Fertigungsprozess hat und sowohl

a) die geringen Stückzahlen der zur Fertigung benötigten Teile als auch

 b) der andere Overhead einer dezentralen Wareneingangsabwicklung

nicht für dessen marginalen Vorteile sprechen.

Aus diesem Grund wurde entschieden, weiterhin eine zentrale Wareneingangsabwicklung durchzuführen. 

Über den autor

Mit über 15 Jahren Erfahrung in der Umsetzung komplexer IT- und SAP Projekte für europäische Großunternehmen bringt Michael Schnepf wertvolles Know-How im Digitalisierungsbereich bei Systempilot ein. Im Systempilot Digitalisierungs-Blog und im Systempilot YouTube Kanal gibt er seine Erfahrungen regelmäßig weiter.

Michael Schnepf

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